Interview mit der Inhaberin
Frau Dr. Kellermann, Sie sind promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin und sprechen fünf Sprachen. Was hat Sie 2005 dazu bewogen, den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen?
“Nach Abschluß der Promotion wollte ich meinen Hausstand entrümpeln. Ich entdeckte eBay und war von den Möglichkeiten des eCommerce begeistert. Mit präzisen Produktbeschreibungen und guten Produktbildern erwirtschaftete ich aus alten Büchern, Sportartikeln und ausgedienten Kleidungsstücken rund 10.000 EUR. Aus diesem Erfolg entstand die Idee, ein Unternehmen im Bereich eCommerce zu gründen.”
Sie hätten ja Ihre eBay-Aktivitäten auch nebenberuflich weiterführen können. Warum machten Sie sich sofort selbständig? Erhielten Sie staatliche finanzielle Unterstützung?
“Nein, aber ich hatte ja 10.000 EUR selbst erwirtschaftetes Startkapital. In meiner Familie hat das Unternehmertum Tradition. Ich hatte keine Angst vor unternehmerischen Risiken, brauchte aber noch eine Idee für ein innovatives Produkt.”
Spielten Sie damals schon Golf?
“Ja, unbedingt und ich hatte damals schon eine besondere Vorliebe für ausgefallene Golftaschen. Die Idee, eine eigene Golf Bag Kollektion war schnell geboren. Die Marke ‘Kellermann Golf’ entstand quasi über Nacht.”
Das Tour Bag Montecastillo und das Stand Bag Alcanada waren auch schon individuell bestickt?
“Nein, die ersten Golftaschen von Kellermann Golf differenzierten sich allein durch Design und innovative Features. Besonders das Modell Montecastillo wurde von der Online-Klientel in Spanien und Italien sehr gut angenommen. Nachdem erste Tourspieler das Bag einsetzen wollten, entstand eine große Nachfrage nach individuell bestickten Bags. ”
Und wie reagierten Sie auf den Markt?
“Ich entwickelte ein Tour Bag, dass im zerlegten Zustand bestickt und dann mit Hilfe eines Schumachers endgefertigt wurde. Der Schumacher leistete hervorragende Handwerksarbeit, aber die beauftragte Stickerei kam mit der Positionierung der Stickmotive und mit der Dringlichkeit der Aufträge nicht zurecht. So schaffte ich schnell eine erste eigene Stickmaschine an und lernte das Sticken und vor allem die Stickprogrammierung von Null auf Hundert.”
2008 lieferten Sie ein erstes komplett individualisiertes Tour Bag in die USA? Wurde die Tasche auch noch durch den Schumachermeister endgefertigt?
“Ja, aber ich entdeckte bald noch andere Fertigungstechniken. Erste Impulse kamen aus dem Polstereihandwerk – später folgten innovative Nähtechniken aus der ästhetischen Chirurgie. Es war sehr schwer, geeignete Fachkräfte anzulernen, da die Handnäharbeiten sehr mühselig und anstrengend waren.
Nähen Sie auch heute noch Ihre Golftaschen mit der Hand?
“Nein, nur noch die Modelle Masters und St. Anne., die wir aber langfristig aus dem Programm nehmen werden. Aber die Partien wie Schultergurt und die Bagunterkante bleiben bei allen Taschen weiterhin Handarbeit.
Sie erwähnten, dass Sie 2011 Ihr Fertigungskonzept umstellten – warum?
“Die Handnäharbeiten waren zu zeitintensiv und anspruchsvoll für unsere Fachkräfte. Wir benötigten kürzere Fertigungszeiten. Denn die Sponsorenverträge von Tourspieler wechseln mit rasender Geschwindigkeit. Auf dem Amateurmarkt ist die Situation ähnlich. Geschenke für Jubiläen, Verabschiedungen oder andere termingebundene Veranstaltungen werden meist erst in letzter Sekunde bestellt.”
Was genau haben Sie verändert?
„Ich habe ein Fertigungssystem entwickelt, dass – ähnlich wie in der Automobilindustrie – auf Modulen basiert. Die Kollektion ist heute wesentlich schlanker, der Kunde kann nur zwischen ganz bestimmten Grundfarben und Modellen wählen. Aber dafür ist die Fertigungszeit kürzer und das Preisleistungsverhältnis besser. Durch meine Promotionsstudium in Logistik hatte ich einen guten Background, um diese fertigungslogistische Veränderung durchzuführen.“
Wie sehen Sie Position in der Branche?
Das Segment Custom Golf Bags ist eine relative geschützte Nische im hart umkämpften Golfmarkt. Der Golfsport boomt. Individualisierte Produkte liegen in allen Branchen enorm im Trend. Mein Unternehmen wächst beständig. wird aber- nach meiner Einschätzung - “klein aber fein” bleiben, um den besonderen Ansprüchen der Klientel gerecht zu werden.
Letzte Frage: Sie scheinen mit Ihrem Unternehmen zeitlich sehr ausgelastet zu sein – haben Sie auch noch ein Privatleben?
„Ja, natürlich. Es bleibt genügend Zeit, um am eigenen Handicap zu arbeiten. Aber auch, wenn die Bälle mal nicht so fliegen, ist die Bewegung an frischer Luft ein idealer Ausgleich.“
Vielen Dank für das Gespräch.